Der Zufall und ich – eine Herausforderung
Ich liebe und provoziere den Zufall und die Assoziationen, die er in meinen schöpferischen Möglichkeiten erweckt, die viel umfassender und tiefer greifen als bei eher rationalen Planungen und die viel spannendere und oft mir selbst unbekannte Elemente ins Bild bringen.
Er setzt mir Grenzen und eröffnet mir gleichzeitig ungeahnte Möglichkeiten. Er zeigt mir neue Wege, die ich freudig und voller Ungeduld beschreite. Er fordert mich dazu heraus, ihn nach meinem Bilde umzufunktionieren. Ich ordne mich ihm unter, aber auch er muss sich mir unterordnen.
Zu Inspirationsflächen kann so vieles werden: grob verputzte Wände und Holzmaserungen, unregelmäßig mit Rolle und Walze aufgetragene Farbstrukturen, Abdrücke von zerknittertem und farbgetränktem Papier etc. etc. etc.
Die meiner Wahrnehmungskraft zugänglichen Bewohner/innen dieser Strukturen und Flächen springen mich dann förmlich an und wollen durch meine Hand ans Licht der Welt gebracht werden. Dies macht die Arbeit an einem Bild oder einer Bildfolge zu einem Abenteuer, dem ich selbst manchmal nur atemlos folgen kann. Was wiederum einer meiner bevorzugten Techniken, der Monotypie, perfekt entspricht, da hier wegen der raschen Trocknung der Farbe auf der Zeichenglasplatte schnelles Arbeiten notwendig ist.
Auf meinen Bildern dominiert das Lebendige, es erscheinen oft Menschen (meist weiblichen Geschlechts), Tiere, Mischwesen, un/bekannte Objekte, abstrakte Elemente sowie – gern auch erotische – Beziehungen zwischen diesen Wesen und Elementen.
Mich faszinieren unterschiedliche Wahrnehmungsebenen, Vielschichtigkeit, Kontraste, überraschende Tiefen und Wendungen, das Pendeln zwischen Scherz und Ernst, indirekte Anspielungen, Doppelbödigkeit, (Selbst-) Ironie, Humor und Satire, manchmal bis zum Grotesken. Gern treibe ich eine Art Vexierspiel mit den Betrachtern (siehe auch die „Wendebilder“) und fordere sie zum freien Assoziieren auf.
Oft arbeite ich seriell. Beim unterschiedlichen Kolorieren identischer Drucke und dem Ausloten und Gegenüberstellen der entstandenen Wirkungsveränderung. In Einzelbildern, vornehmlich meinen „Rollenbildern“, die ähnliche, aber nie gleiche, sondern stets sich verändernde Motive zeigen, was einen filmstreifenartigen Effekt hervorbringen kann. Und in großen Bildserien, d.h. Variationen über ein formales oder inhaltliches Thema.
Die größten dieser Serien waren bisher „Walküren und andere Wunderweiber“ (2001-2004), eine Serie von Acrylbildern, vor allem aber Monotypien anlässlich des Ausstellungsprojekts „Region und Identität. Frauen in Mythologie, Geschichte und Gegenwart“; „Haldensteiner Phantasien“ (2004), einer Serie von Monotypien, die während meines dreimonatigen Aufenthalts als Gastkünstlerin im Wohnatelier von Schloss Haldenstein bei Chur in Graubünden (CH) entstand; „Steine, Tore, Tage“ (2007), eine Serie von über 1000 postkartengroßen Originalzeichnungen (Tusche, Lithokreide und Wachsmalstifte), die in dem von mir selbst festgesetzten Zeitraum von 12 Monaten entstanden.
Das Zeichnen und Malen ist mir seit jeher eine adäquate und notwendige Lebensäußerung, soll also in erster Linie mich selbst befreien, erfreuen und bereichern. Gleichzeitig liebe ich aber auch die Vorstellung, dass meine Bilder die Betrachter etwas glücklicher in die Welt entlassen mögen, als sie es vorher waren.
Michael Dieckmann „…Anscheinend völlig der Eingebung ihres Kopfes vertrauend,
setzt sie irgendwo auf dem Blatt den ersten Strich und hat nach
einer Weile, in der man nur die Fliegen über den Tisch laufen
hört, ein neues Ensemble liebenswürdiger Gestalten und
Physiognomien geschaffen, die sich prächtig als Wasserspeier
an den Dachtraufen von Notre- Dame de Paris ausnehmen
würden. Wenn`s wider Erwarten danebengeht, wird die
Zeichnung per Spezialschere flugs seziert, neu zusammen-
gesetzt und koloriert…“ (1999)
„…Sie baut sich Zufallsgeneratoren, mit denen sie kleine
Ausschnitte des großen Chaos erzeugt. Von weitem sieht man
auf ihren Bildern erstmal diesen Urknall, das maßgebende
Durcheinander sozusagen. Und beim Immernäherkommen
tut sich uns ein skurriles Leben auf, wie es sich Marianne
beim Betrachten und Bearbeiten stückweise aufgetan hat .“
„Mir taucht Marianne in ihren Bildern als Dompteuse auf, die
ein labiles Gleichgewicht zwischen sich und den Bestien auf
ihren Hockern aufrecht erhält und sich dann plötzlich selbst
als zwitterhaftes Fabelwesen oder herum schwirrende Hexe
mit Steinbockhörnern unter die Gespenster mischt.“ (2005)
Ilse-Maria Dorfstecher „Hier ist eine Spielerin am Werk.“
„Das Groteske und Satirische ist aber gleichzeitig auch
komisch, nie verzweiflungsvoll oder bösartig. Ein Kosmos
aus unserer Traumwelt…“
„Die Körper sind vorwiegend dralle Frauenkörper, nicht als
Sexualmotiv oder voyeuristisch gesehen, sondern erotisch, aus
dem guten Selbstverständnis einer Frau. Frauen tauchen als
Engel auf…“ (2004)
Dr. Annette Gravert „Da wimmelt es von phantastischen Wesen mit über-
raschenden Merkmalen, Hörnern, Schwänzen, Augen und Fell-
strukturen, in Positionen und an Bildorten, die ungewöhnlich
sind und zum Nachsinnen und Träumen und Schmunzeln
einladen. Dazwischen Landschaftselemente und Frauen-
körper in prachtvoller Weiblichkeit.
Auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen spielen sich die
Bildszenen ab. Eine enorme Vielschichtigkeit bringt zusätz-
liche Lebendigkeit und Fülle. Die Geheimnisse der Welt und
das Geheimnisvolle in der Kunst Marianne Schröders verbin-
det die Künstlerin meisterhaft zu einer surrealen und doch
erkennbaren Bildwelt, in der wir uns auf phantastische Weise
wiederfinden können.“ (2005)
Dr. Karla Bilang „Marianne Schröder nähert sich dem feministischen An-
spruch auf die Welt der Göttinnen und mythologischen
Frauengestalten auf humorvolle Art. In einer seriellen Kom-
position wird der Prototyp der Walküre mit ihren üppigen
Körpermaßen gleichsam abgewickelt und auf unterschiedliche
Weise zur Ansicht gebracht. Das Spiel mit den typischen
Posen und mit dem Wechsel der geheiligten weiblichen
Attribute Kreis, Spirale, Dreieck verrät die etwas ironische
Distanz, die nach Meinung der Künstlerin bei der Betrachtung
des Themas heute nicht schaden könne.“ (2006)
Marianne Pitzen „Marianne Schröder findet zu einem mehr versöhnlichen
Bild. Die gezeichneten weiblichen Figuren kommen daherge-
tanzt, sie bilden lange Reihen, sie bewegen sich wie im Film.
Eine Prozession orgiastischer Art könnten sie auch sein. Sie
erinnern mich an die Prozessionen, die die Hethiter in die
Felsmauern ihrer Gebirgsstadt Hattusa eingemeißelt hatten:
Siegesfeiern, Gefangene in Ketten, Priester in Massen.
Dabei hatte die hethitische Königin Puduhepa mit Ramses II
den ersten Friedensvertrag der Welt ratifiziert – nicht ohne
seine Gemahlin Nefertari..“ (2006)
Atelier - Marianne Schröder - Mariendorfer Weg 6 - 12051 Berlin - Telefon: (030) 62 512 95
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